das blaue feld (1993/1995)
was ist der unterschied, gibt es beaux arbres und beaux arts?
kunst kommt von können, hat inhalte wie 'fähigkeit, wissen, kunstfertigkeit, kenntnis, weisheit". das sind wörter aus menschlichen verhältnissen. pflanzen und tieren schreiben wir diese begriffe nicht zu, aber daß diese äquivalente eigenschaften haben können, auch wenn wir diese noch nicht erkannt, noch nicht gewogen, vermessen, eingeordnet haben, müßte doch eigentlich plausibel sein. was wir nicht erkannt haben, darf doch nicht als möglichkeit geleugnet werden. es zeugt von arroganz, solche qualitäten zu leugnen und von ignoranz, solche gleichwertigen eigenschaften als 'instinkt' abzuhandeln. 'instinkt' ist ein hilfswort, das nichts erklärt (wie z.b. auch 'zufall'). damit will ich sagen, daß bäume und pflanzen etwas sind und realisieren, wahrmachen, das wir kunst nennen können und das für uns den gleichen wert haben kann oder durch das ausgezeichnete können auch viel mehr als einen äquivalenten wert, wenn wir es nur wahrnehmen (nehmen - ein aktiver vorgang, der mit der eigenen biographie zusammenhängt). der unterschied zwischen kunst und bäumen (und auch zwischen kunst und natur) ist, daß kunst durch menschliches handeln zustande kommt.
kunst und bäume zusammen zu bringen, ist eine herausforderung ... an die kunst.
in den meisten fällen, in denen das geschehen ist, sind die bäume dekor, entourage, hintergrund. so werden sie mißachtet, ignoriert, degradiert. die kunst wird zwischen ihnen allein gelassen, es wird ihr mit isolation und sinnentleerung heimgezahlt, obwohl sie in einer anderen, für das werk passenderen situation durchaus einen sinn hätte.
ein park, ein garten, ein botanischer garten oder ein arboretum sind keine natur! das zusammenbringen von pflanzen und bäumen (aus der natur) ist eine kulturelle tat. manchmal kunst. meistens im vergleich zur natur, die an diesem ort hypothetisch vorkommen könnte, armselig, armselig. arm an arten, an visuellem erfahrungswert, arm an geist.
ein botanischer garten ist für mich tatsächlich eher kunst - denn kunst hat für mich mit bewußt-sein und mit bewußtwerdungs-prozessen zu tun, und das wird in botanischen garten sichtbar (und riech-, fühl- und manchmal auch hör- und schmeckbar).
rund um wageningen liegen versuchsfelder, rechteckig, mit schildern, pfahlen, eingezaunt, numeriert. man sieht, wie mühselig es für den menschen ist, einfluß auf komplizierte prozesse zu nehmen. daher diese ordnung.
mit 'tarwe' (weizen) zeige ich in dieser für wageningen bekannten form pflanzen, die ohne menschliche kultivierung so kaum lebenskraft haben in der freien natur zu exisitieren. kulturgewächse. unter dem begriff 'weizen' entstand in einem tausendende jahre dauernden kultivierungsprozeß eine vielfalt von lebenden formen. 'weizen' ist keine natur mehr, aber er hat seinen ursprung in der natur. 'weizen' ist kultur.
'vlas' (flachs) ist ebenfalls ein altes kulturgewächs. die farbe der blühenden flachsfelder, die ich sah, wenn ich als junge auf dem fahrrad in den nordholländischen poldern unterwegs war ... der blaue hauch über einem unbeschreiblichen grün - mitunter in bewegung vom sommerwind, wogend, niemals ganz still - ich stieg manchmal vom rad und schaute und schaute. eine kleine trance würde ich das heute nennen. das flachsfeld, 'het blauwe veld' (das blaue feld).
source: herman de vries, 'das blaue feld', in to be : texte - textarbeiten - textbilder (Stuttgart 1995) 170-171. Originally published in Dutch as 'het blauwe veld', in exhibition catalogue Beelden op de berg 6. Musée des beaux arts, musée des beaux arbres (Stichting Beelden op de Berg : Wageningen 1993) 77-79.